Politische Gespräche in Berlin

am Montag, 9.9.2002

Bericht: Klaus Martin Voigt

Weil die Internationale Konferenz genau zwei Wochen vor den Wahlen zum 15. Deutschen Bundestag stattfand, war es sehr schwierig, Termine für Lobbygespräche mit Politikern und Politikerinnen zu vereinbaren. Das politische Berlin befand sich im Wahlkampf.

Trotzdem konnten fast 30 der KonferenzteilnehmerInnen in Gruppen zu je 5 bis 6 Personen Gespräche mit 5 verschiedenen Politikern von SPD, Grünen und PDS führen. Diese waren teils Abgeordnete des Deutschen Bundestags, des Europaparlaments oder Kandidaten/Innen für ein solches Mandat. Leider wird infolge des Wahlausgangs von den KandidatInnen der PDS niemand im neuen Bundestag vertreten sein.

Am Vorabend gab es vorbereitend

praktische Hinweise für die Lobby-Gespräche:

  1. Vorstellung der TeilnehmerInnen, aus welchen Ländern
  2. Erklären des Anlasses: 9. Internationale Konferenz
  3. Den Informationsstand des Gastgebers erfragen
  4. unser Thema in Kürze (!) darstellen
    1. das Gewissensproblem u. das daraus erwachsene Anliegen
    2. die bisherige Entwicklung national / international, aktueller Stand, Gesetzentwürfe
  5. Wonach wir fragen / was wir brauchen:
    1. Wird das Problem erkannt? Politisch geht es um das Grundrecht der Gewissensfreiheit, nicht um Pazifismus
    2. Sachkundige Hilfe beim Erarbeiten gesetzlicher Lösungsmöglichkeiten (z.B. interfraktionelle Arb. gruppe)
    3. politisch-parlamentarische Umsetzung
  6. Zusammenfassung
  7. Dank und Verbleib

Bei den Gesprächen wurde zunächst die Internationale Konferenz erklärt und in diesem Zusammen-hang sowohl die internationale Zusammensetzung unserer Gruppen erläutert als auch unser gemein-sames Anliegen vorgestellt. Dank der Tatsache, dass unsere GesprächspartnerInnen eher zum linken politischen Spektrum gehörten, fanden wir bei allen ein mehr oder weniger positives Echo. Nichtsde-stoweniger wurden die Chancen, in absehbarer Zeit eine gesetzliche Regelung für das Problem der Militärsteuerverweigerung aus Gewissensgründen zu erreichen, skeptisch beurteilt. Wir hörten einige der üblichen Zurückweisungs-Gründe, vor allem, dass auch andere Menschen und Interessengruppen in ähnlicher Weise Gewissensgründe geltend machen könnten (Dammbruch-Argument) und dass durch eine Einflußnahme von SteuerzahlerInnen auf die Verwendung ihrer Steuergelder die Budge-thoheit des Parlaments geschmälert würde. Unsere Argumente hierzu wurden aber ernsthaft ange-hört.

Die Situation in anderen Ländern, vor allem in den USA, war von Interesse, ebenso die Arbeit von Conscience and Peace Tax International (CPTI) bei den Vereinten Nationen. Die Tatsache, dass un-ser Anliegen eine so sichtbare internationale Dimension hat, wurde als bedeutsam bezeichnet.

Die meisten unserer GesprächspartnerInnen möchten weiter informiert werden. Einzelne gaben uns Hinweise zum weiteren Vorgehen wie z.B. das Einbringen der Thematik in eine aktuelle Fragestunde des Bundestages und in alle Fraktionen, auf einen fraktionsübergreifenden Antrag von Einzelabge-ordneten hinzuarbeiten, durch eine außerparlamentarische Bewegung Druck zu erzeugen.

Auf Europäischer Ebene ist es eine dringende Aufgabe, darauf hinzuwirken, dass das Anliegen der Kriegsdienst- und der Kriegssteuerverweigerung Eingang in die Themenliste des Europäischen Ver-fassungskonvents findet. Dazu sind Aktivitäten sowohl der nationalen Friedenssteuerbewegungen wie von CPTI notwendig.

Insgesamt waren die Gespräche für die meisten von uns eine interessante und wichtige Erfahrung. Die ausländischen TeilnehmerInnen hatten Gelegenheit, deutsche PolitikerInnen in der Hauptstadt des Landes in ihrer Arbeitsumgebung und im persönlichen Gespräch zu erleben. Für etliche der deut-schen Teilnehmenden war dies eine willkommene Gelegenheit, Erfahrungen mit den Anforderungen und Erfordernissen von Lobbygesprächen zu machen, die in der jetzt beginnenden Legislaturperiode zunehmend geführt werden sollen.